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48. Treffen des FCBD in
Rastede
Bio-Landwirtschaft
und Ausländerschicksale
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Der
diesjährige Mayordomo des Freundeskreises Chilenischer Burschenschaften in
Deutschland (FCBD), Dr. Germán Flitz der Burschenschaft Vulkania aus Valdivia,
lud uns alle nach Rastede ins Oldenburger Land ein, in die norddeutsche
Tiefebene, wo man die Gäste zum Sonntagskaffee schon am Mittwoch kommen sieht,
so flach ist das Land, wie die Leute hier scherzhaft sagen.
Der
Mayordomo wählte Rastede nicht nur wegen seines wunderschönen Schlossparks aus
– die Oldenburger Großherzöge haben hier immer noch eine Sommerresidenz –
sondern weil es das Akademie-Hotel gibt, das wochentags dem Raiffeisenverband als
Fortbildungsstätte dient, an den Wochenenden aber als Hotel zur Verfügung steht
und wie für uns geschaffen war. Dazu gibt es noch drei sehr ordentliche Hotels
in dieser 12.000-Einwohnerstadt, so dass die ca. 80 Gäste gut untergebracht
waren. Am
Samstagmittag trudelten nach und nach die Gäste ein, das übliche
Willkommenshallo fand allenthalben statt und schon bald stach uns ein
verführerischer Geruch in die Nase: An zwei Spießen drehten sich halbe Lämmer,
d.h. sie wurden stundenlang von freundlichen Helfern gedreht. Hierzu ist zu
sagen, dass sich der Mayordomo als promovierter Agraringenieur der
Bio-Landwirtschaft verschrieben hat. Alles, was es bei diesem Asado gab,
stammte aus biologischem Anbau in der Region, seit Monaten kritisch überwacht
vom Gastgeber. So war das Für und Wider dieser Branche immer wieder Thema des
Treffens, wozu man sagen muss, dass alles vorzüglich schmeckte.
Dazu
gab es wie immer die mitgebrachten Weine und dieses Mal als Besonderheit Stier – Bräu, das Bier aus der Hausbrauerei in Vechta von Pablo Meissner der
Burschenschaft Vulkania.
Der
Asado zog sich über den ganzen Nachmittag hin, nur unterbrochen von Kaffee und
mitgebrachten Kuchen. Am Abend gab es dann noch eine kräftige Suppe, und für
Viele wurde es sehr spät. Besonders für die jüngeren Generationen war es
deshalb sehr praktisch, dass alles unter einem Dach stattfand: Dank Babyphone
konnten die Eltern problemlos feiern.
Das
Grossherzogtum Oldenburg war ja Teil des „Flickenteppichs“ der deutschen
Kleinstaaterei bis zur Reichgründung 1871 und hat seine eigene Geschichte:
Vom
frühen Mittelalter als Grafschaft, dann ab 1773 als Herzogtum, 1810 von
Napoleon annektiert, 1815 nach dem Wiener Kongress zum Grossherzogtum erklärt
und 1871 dem Deutschen Reich beigetreten. 1918 kam mit dem Vertrag von
Versailles das Ende der Monarchie und somit auch das Ende der deutschen
Fürstentümer.
Der
Mayordomo erklärte uns, dass man durchaus Oldenburg als Universitätsstadt und
ehemaliger Haupt- und Residenzstadt der Großherzöge mit seiner historischen
Altstadt zum Thema des kulturellen Teils des Treffens hätte machen können. Er
hatte sich aber überlegt, dass sich durch die geografische Nähe ein anderer
Besuch empfiehlt. Das Erlebnismuseum Deutsches Auswandererhaus in Bremerhaven.
Für viele von uns trifft es ja zu, dass die Vorfahren oder wir selbst von Deutschland
nach Chile ausgewandert sind. Und wiederum sind ja die meisten von uns im FCBD von
Chile nach Europa rückgewandert. Das alles wird in dem Museum erlebbar, wobei
es letztes Jahr durch eine Abteilung „Einwanderer“ ergänzt wurde.
So
bestiegen wir um 10 Uhr zwei komfortable Reisebusse und durchquerten in anderthalb Stunden die Wesermarsch, den
Tunnel unter der Weser und kamen in das Hafengebiet von Bremerhaven. Hier
wurden wir in Gruppen mehreren Führern des Museums zugeteilt, die uns
kenntnisreich in zweieinhalb Stunden das Museum näherbrachten.
Von
Bremerhaven aus sind im 19. und 20. Jahrhundert mehr als 7 Millionen Menschen
ausgewandert. Übrigens waren es von Hamburg aus im gleichen Zeitraum über 5
Millionen. Auch dort gibt es ein Museum, die BallinStadt.
Doch
zurück nach Bremerhaven. Hier besteigt man den Nachbau eines Schnelldampfers aus
dem Jahr 1888 kennen, man erlebt, was es damals hiess, in der 3. Klasse über
den Atlantik zu reisen. Es ist eng, dunkel und stickig, man ahnt, was für eine
Tortur die mehrwöchige Reise gewesen sein muss. Man begegnet Schicksalen von
realen Auswanderern, verfolgt ihren Lebensweg und kann auch selbst am
Bildschirm nach eigenen ausgewanderten Vorfahren suchen. Man lernt die
Hintergründe der grossen Auswanderungswellen und die bedeutendsten Einwanderungsgruppen
nach Deutschland kennen. An Hörstationen werden die spannenden und bewegenden
Geschichten von Auswanderern und Einwanderern erzählt.
Wir
waren uns alle einig, dass es eine gute Entscheidung des Mayordomos war, dieses
hochinteressante und uns direkt berührende Erlebnis zu ermöglichen. Selbst die
Kinder fanden den Besuch spannend und waren voll bei der Sache. Im Anschluss
gab es einen kleinen Imbiss im Café des Museum in Form von Kaffee und Kuchen
und dann ging es zurück nach Rastede. Hier konnte man einem Vortrag über die
Euro-Krise lauschen, einen ausgedehnten Spaziergang durch den herrlichen
Schlosspark machen, wo noch die Rhododendren blühten, die in dieser Gegend, dem
Ammerland, so gut gedeihen oder sich mit einer „siestecita“ für das festliche
Essen am Abend vorbereiten.
Wie
nicht anders zu erwarten, war das Essen in besonderer Weise geplant worden, ein
kalt-warmes Buffet mit taufrischen, überwiegend biologisch angebauten
regionalen und saisonalen Produkten, bis hin zum Räucheraal, der hier gern
gegessen wird und mit dem sogenannten Löffeltrunk begleitet wird. Der Abend
wurde für viele wieder sehr lang. Am nächsten Morgen hiess es Abschied nehmen,
wobei wir alle schon auf das Treffen 2014 bei Luzern in der Schweiz gespannt
sind, das Dr. Bruno Seeberger von der Montania als Mayordomo und Gastgeber organisieren
wird.
Alfred v. Reiswitz
Buchholz / Deutschland
(Erschienen im Condor am 4. Oktober 2013)
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