lIm vergangenen
Jahr im hohen Norden, dieses Jahr im tiefen Süden – der Mayordomo entscheidet,
wo das alljährliche Treffen des FCBD (Freundeskreis chilenischer Burschenschaften
in Deutschland) stattfindet. Peter und Cristina Möller-Holtkamp leben in der
Umgebung von München und hatten uns nach Benediktbeuern eingeladen, einer
Gemeinde von ca. 3.600 Einwohnern etwa 65 km südlich von München.
Der Ort ist
durch sein Kloster bekannt und für ein Treffen dieser Art sehr gut geeignet. Auf
dem ausgedehnten Klostergelände gibt es ein Zentrum für Umwelt und Kultur, 2
Gästehäuser und eine Jugendherberge, alles zu recht zivilen Preisen und mit
ausreichend Platz für die fast 120 FCBD-Teilnehmer aller Altersklassen. Schon
lange waren es nicht so viele wie dieses Jahr, ein Verdienst der Mayordomos,
die ein sehr attraktives Programm an einem so interessanten Ort organisiert
hatten.
Es begann am
Samstag, dieses Mal nicht mit dem traditionellen „asado“ sondern im Biergarten
des Klosterbräustüberl, wo wir aus einer reichhaltigen Speisekarte ein typisch
bayrisches Schmankerl aussuchen und uns zwischen 11 Biersorten entscheiden konnten.
Ein Spielplatz für die Kleinen war auch vorhanden, sodass alle zufrieden waren.
Überall gab es Gespräche über das vergangene Jahr, wie es allen so ergangen
war, neue und lange nicht gesehene Freunde begrüßt, Zukunftspläne ausgetauscht
und insgesamt bis in den späten Abend zusammengesessen.
Wer schon etwas
früher da war, konnte sich in dem Kloster und seiner Umgebung umsehen und sich
ein wenig über die Geschichte und die heutige Situation des Klosters
informieren.
Das Kloster ist
in den Jahren zwischen 725 und 728 von Karl Martell gegründet worden. Er war der
Hausmeier (mayordomo!!!) der Merowinger, ältestes aber zu der Zeit bereits
ziemlich dekadentes Königsgeschlecht der Franken, und war damit „de facto“ der Herrscher
des Reiches. Berühmt, wenn auch bei den Historikern nicht unumstritten, wurde
er durch den Sieg gegen die Araber bei Tours und Poitiers im Jahr 732. Die
muslimischen Krieger hatten ja von Nordafrika aus innerhalb von zwei
Jahrzehnten fast die komplette Iberische Halbinsel erobert. Im Siegesrausch
waren sie mit ihren schnellen Pferden ins heutige Frankreich eingefallen,
hatten „Razzien“ veranstaltet – "Razzia" ist ein arabischstämmiges
Wort, das bis heute überdauert hat. Und erst jener fränkische Hausmeier Karl
Martell hat sie dann bei Poitiers gestoppt.
Manche, wie
einer der Gründerväter der modernen Geschichtswissenschaft, Leopold von Ranke,
sehen somit die Schlacht von 732 als einen Wendepunkt der Weltgeschichte. Die
Mauren wären demnach bei einer Niederlage der Franken bis nach Colonia,
Londinium und Jütland vorgedrungen und hätten das Christentum durch den Islam
verdrängt. Wenn wir uns die heutige Entwicklung mancher islamischer Staaten und
die damit einhergehenden Migrationsbewegungen anschauen, dann könnte man sich
unter etwas geänderten Vorzeichen beinahe in diese Zeit zurückversetzt sehen!
Karl Martell begründete
mit der Schlacht seinen bis heute andauernden Ruhm – und den Aufstieg des
karolingischen Imperiums, das seinen Namen trägt. So sollte sein Enkel Karl der
Große werden, der erste fränkische Kaiser des Römischen Reiches.
Doch zurück zu
dem Kloster: Was von Karl Martell zunächst als Wach- und Kontrollstation
gegründet worden war, ist um 739/740 von Erzbischof Bonifatius als
Benediktinerabtei geweiht worden. Ein im 8. Jahrhundert in Kochel am See
gegründetes Frauenkloster wurde hierher verlegt und hatte bis ins 14.
Jahrhundert auf der Nordseite des Männerklosters seinen Sitz. 1803 (Napoleon!)
wurde es im Zuge der Säkularisierung aufgelöst. Im Jahr 1930 erwarben die
Salesianer Don Boscos das Kloster, in dem sich bis heute zahlreiche
Einrichtungen der theoretischen und praktischen Arbeit mit jungen Menschen
widmen.
Am Sonntag stand
dann der Herzogstand auf dem Programm, ein Berg von 1.730 Metern. Er war der
Lieblingsberg des Königs Ludwig II. von Bayern, des Erbauers der
Märchenschlösser Neuschwanstein,
Herrenchiemsee und Linderhof. Von hier oben hat man einen traumhaften Blick
nach Norden auf das Voralpenland mit dem Kochel- und dem Walchensee im
Vordergrund und nach Süden auf die sich auftürmende Alpenkette bis weit in die
Tiroler Berge und Gletscher, wenn….ja wenn das Wetter mitspielt. Das tat es
leider nicht.
Schon auf der
kurzen Busfahrt zur Talstation der Gondel, die uns auf den größten Teil des
Berges hinaufbringen sollte, regnete ergiebig, oben angekommen noch mehr. Von
dort war es eine kurze Wegstrecke zum Berggasthof, in dem zum Glück alle unterkamen.
Später hörte es langsam auf zu regnen, sodass man sich auf den Weg weiter
hinauf machen konnte, einige schafften es sogar bis zu Gipfel. Es wurde am Ende
ein vergnügter Tag, auch wenn wir den berühmten Panoramablick nur begrenzt
genießen konnten. Aber die Sommer in Mitteleuropa sind halt Glücksache.
Um 16 Uhr ging
es dann wieder zurück Richtung Kloster, um sich ein wenig auszuruhen und sich
anschließend für das festliche Abendessen im Gasthof Herzogstand
schickzumachen. Eine herrliche
Abendsonne erlaubte uns, im Garten des großen Gasthofs den seit Jahren
unentbehrlichen „pisco sour“ zu genießen, um dann in den großzügigen
Räumlichkeiten das reichhaltige Buffet, zum Teil aus der eigenen Metzgerei, zu
genießen. Der chilenische Generalkonsul von Frankfurt, Christian von
Loebenstein, nutzte die Gelegenheit, den Anwesenden das Procedere von chilenischen
Wahlen im Ausland zu erläutern. Natürlich wurde den Mayordomos für das
hervorragend organisierte Treffen gedankt und den Nachfolgern für 2018, Ralf
und Katrin Sievers, gutes Gelingen gewünscht. Mit Absingen burschenschaftlicher
Lieder mit Akkordeonbegleitung und chilenischer Folklore zur Gitarre wurde die
Nacht mal wieder zum Tage gemacht.
Am Montagmorgen
folgte das traditionelle Katerfrühstück im Biergarten des Klosters, mit immer
noch hoher Beteiligung, bis es hieß Abschied zu nehmen und sich auf das nächste
Jahr zu verabreden.
Alfred v. Reiswitz
Buchholz / Nordheide
Link zum Original Artikel vom Condor vom 11.8.2016 hier
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