Von den
Mayordomos Ralf und Katrin Sievers wussten wir, dass sie bei Göttingen leben.
Als dann die Einladung nach Teistungenburg kam, waren wir leicht irritiert – wo
ist das denn? Wie es sich herausstellte, liegt es etwa 30 km von Göttingen
entfernt, kurz hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang in Thüringen an der
Grenze zu Niedersachsen und ist ein Hotel auf Gelände des früheren Klosters
dieses Namens, das 1260 gegründet wurde. Es wurde während der Bauernkriege fast
vollständig zerstört und geplündert. 1720 begann der Neuaufbau, aber Im März
1809 wurde die gesamte Anlage verkauft. Die meisten Klostergebäude wurden 1975
wegen der Nähe zur innerdeutschen Grenze abgebrochen. Erhalten blieb lediglich
die hauptsächlich aus weißem Sandstein bestehende Klostermauer und ein
Rinderstall. Das Victor’s
Residenz-Hotel in Teistungenburg war ein Volltreffer in jeder Hinsicht, denn das
größte Problem eines jeden Mayordomos ist, dass das Hotel möglichst viele Gäste
unterbringen kann, der Grillplatz möglichst nahe am Hotel liegt und dieser auch
im Fall von Regen genutzt werden kann.
Hier war es so, dass die 100 Teilnehmer des Treffens locker in das Hotel passten,
es gibt eine große Innen- und Außen-Bäderwelt zur freien Verfügung, das
festliche Essen am Sonntagabend konnte hier stattfinden,
Kinderspielmöglichkeiten sind dabei, usw. und, das Wichtigste, der
traditionelle „asado“ konnte vor Ort in eigener Regie veranstaltet werden. Als das Gros der
Leute am frühen Nachmittag des Samstag ankam, hatten die Mayordomos mit einigen
freiwilligen Helfern bereits den Grill an einem „quincho“ des Hotels angeworfen,
die mitgebrachten Salate und Kuchen waren aufgebaut, das Bierfass angezapft,
kurzum, es konnte losgehen, nachdem man die freudige Begrüßung hinter sich
gebracht hatte. Zu den Helfern gehörten die Eltern von Katrin und Ralf, Bernd
und Angelika Josef und Gerold und Helga Sievers, letztere waren natürlich aus Valdivia angereist. Valdivia war
zu unserer Freude dieses Mal sogar doppelt vertreten, da Willy und Mónica
Schwarzenberg auch dabei waren. Die gegrillten
Fleisch- und Wurstsorten schmeckten
wieder mal sehr gut, zu gut, wenn man zu den Senioren gehört und nicht schon
wieder ein zusätzliches Loch in den Gürtel stanzen will. Nach dem Grillen gab
es Kaffee und Kuchen und später am Abend eine kräftige Suppe. Da die meisten
Gäste im Hotel wohnten, musste man auch nicht so sehr auf die Alkohol-Promille
im Blut achten. Für den Sonntag
hatten die Mayordomos zwei Programme im Angebot. Das erste war ein Besuch der
Universitätsstadt Göttingen. Nach einer Busfahrt von einer dreiviertel Stunde wurden
die 40 Teilnehmer von 2 kundigen und amüsanten Führerinnen in Empfang genommen,
die uns zunächst etwas über die Stadt mit ihren 130.000 Einwohnern und etwa
30.000 Studenten erzählte.
Die Stadt wurde
erstmals 953 n.Chr. urkundlich als „Gutingi“ erwähnt, im Jahr 1230 erhielt sie
das Stadtrecht und den Namen „Gotingen“. Sie prosperierte im Spätmittelalter
vor allem dank der Wollweberei und später auch der Leinenweberei. Sie trat 1351
der Hanse bei und hatte dadurch gute Exportmöglichkeiten. Ende des 16.
Jahrhunderts begann der Niedergang der Stadt, da sie nicht mehr mit den
billigen englischen Produkten konkurrieren konnte. Der Dreißigjährige Krieg ließ
auch Göttingen nicht ungeschoren, die Stadt wurde besetzt und geplündert, so
dass die wirtschaftliche Lage immer bedrohlicher wurde. Das änderte sich erst,
als das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, zu dem Göttingen gehörte, beschloss,
eine Universität neu zu gründen, die der Ausbildung der im Land benötigten
Theologen, Juristen und Ärzte dienen sollte. 1737 war es soweit. Seitdem prägt
die Universität die Stadt. Inzwischen haben 46 Nobelpreisträger in Göttingen
studiert, gelehrt und / oder geforscht, überwiegend im Bereich der
Naturwissenschaften. Übrigens: Wissen Sie, warum es keinen Nobelpreis für
Mathematik gibt? Man nimmt an, dass Alfred Nobel seiner Geliebten Sophie Hess
übelnahm, dass sie daneben ein Verhältnis mit einem Mathematiker hatte…… Die
Besichtigung von Teilen der Universität war sicher ein Highlight des Besuchs,
wobei besonders interessant der Karzer war, das Universitätsgefängnis, in das
die Studenten eingelocht wurden, wenn sie an Raufereien und Ähnlichem beteiligt
waren. Otto von
Bismarck war während seiner Studentenzeit mehrfach dort Insasse! Unser Rundgang
schloss natürlich auch das Rathaus, Kirchen und andere wichtige Gebäude ein. Das zweite
Programm begann als kurze Autofahrt zur Heinz Sielmann Stiftung. Heinz Sielmann
war ein vor allem durch das Fernsehen sehr bekannter Tierfilmer und Publizist
(1917 – 2006), der sich seit 1988 dafür engagierte, den Todesstreifen der
ehemaligen innerdeutschen Grenze zu Thüringen für
den Naturschutz zu erhalten. Als Grünes Band Deutschland ist das
Naturschutzprojekt inzwischen Teil des Grünen Bandes Europa. Aus dem Engagement
am ehemaligen Grenzstreifen resultierte 1994 die Gründung der Stiftung. Seit
1996 ist sie auf Gut Herbigshagen, das sich als Natur-Erlebnis-Zentrum
versteht, bei Duderstadt ansässig. Die Stiftung will durch Ankauf und Pflege
von Biotopen Lebensräume für bedrohte Arten schaffen und erhalten. Hier bildeten
sich zwei Gästegruppen. Eine war hauptsächlich für Eltern mit Kindern gedacht,
es hatten sich etwa 20 Personen dazu angemeldet, die über einen Baumarderpfad
klettern, ein Baumhaus erkunden und die Ställe mit alten Haustierrassen
besuchen konnten. Die andere Gruppe von ca. 15 Leuten wurde über das Grüne Band
und die Arbeit von Heinz Sielmann informiert. Es geht um den Erhalt dieser
Landschaft, die in ihrer Naturbelassenheit einzigartig ist. Den Nachmittag
haben die meisten in der „Bäderwelt“ verbracht, die ein Paradies nicht nur für
Kinder ist, oder haben das nahegelegene Grenzlandmuseum besucht, in dem über
die Geschichte der deutschen Teilung informiert wird. Am Abend folgte
das Gala-Dinner in der Kongresshalle, die auch zum Hotel gehört und Platz für
die ganze „comitiva“ bot. Als Aperitif durfte der pisco sour natürlich nicht
fehlen, und im Anschluss daran bot das reichhaltige Buffet mit typischen
Gerichten aus der Region etwas für jeden Geschmack. Der Dank der Teilnehmer an
die Mayordomos Ralf und Katrin und ihren Helfern war ihnen gewiss. Dann wurde
der Abend lang und länger, begleitet von Darbietungen verschiedener Art und dem
Konsum von Bier und mitgebrachten chilenischen Weinen. Am Montagmorgen
folgte das traditionelle Katerfrühstück im Forsthaus Rotewarte, 10 Autominuten
vom Hotel entfernt, bei dem immer noch
eine stattliche Anzahl der Gäste teilnahmen. Danach hieß es Abschied nehmen und
sich auf das nächste Jahr freuen, wenn Thomas und Marisa Klein uns in
Friedrichshafen am Bodensee willkommen heißen werden.
Alfred v. Reiswitz
Buchholz / Nordheide
Link zum Original Artikel vom Condor vom 23.Oktober 2018 hier
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